Das Unbekannte

Kleine weisse Holzsplitter liegen am Boden. Die Tür des Seiteneingangs steht weit offen. "Ein Einbrecher!", ruft Nico aus. Elena erscheint jetzt neben Nico: "Am helllichten Tag?!" Sie schauen beide durch die, mit Gewalt geöffnete Kirchentür. "Hast du den Einbrecher noch gesehen?", fragt Elena. "Nein, er ist wahrscheinlich sofort abgehauen, als der Alarm ...", Nico starrt gebannt nach draussen. "Was ist?" Nico zeigt auf das Gestrüpp hinter dem Seitenweg: "Der Ast dort hat sich von alleine bewegt!" - "Was meinst du? Komm, hauen wir schnell ab, bevor noch jemand kommt!" - "Nein, Elena schau dort! Schon wieder hat sich etwas bewegt! Dabei ist es ja windstill!" Elena bekommt langsam Panik. Sie zerrt an Nicos Arm und ruft (um den Alarm zu übertönen): "Egal! Nico komm jetzt!" - "Aber wir haben doch noch unsere Sachen drinnen!", Nico wirft noch einen letzten skeptischen Blick ins weiss bedeckte Gestrüpp, dann dreht er sich um. Während beide hastig wieder zurück zur Orgel gehen, um ihre Jacken und Taschen zu holen, äussert sich Elena: "Verdammt, was sollen wir jetzt tun?! Wenn jetzt der Sigrist kommt, dann denkt er wir sind Einbrecher!" - "Nein, Elena hab keine Angst. Wieso sollte ich die Tür aufbrechen, wenn ich einen Schlüssel habe?"

Und wenn man schon vom Teufel spricht; Als beide wieder mit ihren Sachen zur aufgebrochenen Seitentüre zurückkommen, steht bereits der alarmierte Sigrist im Eingang: "Gehen sie aus dem Weg!" Auf diese unhöfliche Weise, drängt er sich den beiden vorbei und schaltet bei einem Kästchen den Alarm aus. "Nico?! Was ging hier vor?! Wer ist das?!", wütend zeigt der Sigrist auf Elena, die sich erschrocken, hinter Nico geflüchtet hat. Doch Nico bleibt gelassen: "Jemand, wollte hier einbrechen, während wir beide drinnen am üben waren." Der Sigrist glaubt es sofort: "Wer war es?!" - "Wir kamen zu spät. Er war schon weg." Der Sigrist flucht laut vor sich hin und jammert: "Das ist schon das zweite mal! Diese Tür mussten wir bereits vor ein paar Monaten reparieren!" Währenddessen inspiziert er den Vorraum. Seine Gesichtszüge entspannen sich sichtlich, als er den noch vorhandenen Computer erblickt. "Wurde etwas gestohlen?" Elena, die sich unterdessen wieder etwas beruhigt hat antwortet: "Nein, wir glauben nicht. Er ist wahrscheinlich gleich abgehauen, als der Alarm los ging." Nico fügt hinzu: "Ja, zum Glück, gibt es hier seit dem letzten Einbruch eine Alarmanlage." Der Sigrist hört Nico und Elena nicht wirklich zu und sagt empört: "Jetzt brechen sie schon am helllichten Tag in die Kirche ein! Ich kann das einfach nicht glauben!" Während der Sigrist die Telefonnummer des Schlossers wählt sagt er verärgert zu den beiden, dass sie hier nicht im Weg herumstehen sollen, woraufhin sich beide etwas beleidigt aus dem Staub machen.

So hell ist es nun auch wieder nicht. Schliesslich ist die Sonne schon seit 40 Minuten hinter dem Üetliberg verschwunden. Und als Nico zusammen mit Elena zur steilen Strasse neben der Kirche kommt, sieht er gerade noch, wie die letzten Sonnenstrahlen sich vom weissen Tannenkamm des Zürichbergs auf der gegenüberliegenden Stadtseite verabschieden. "Von wegen, du kannst nicht fliegen!" Elena muss schmunzeln, aber dann meint sie: "Das war einfach zu viel für mich. Wann hört das eigentlich auf? Mein Gott, was ist eigentlich alles passiert, seit dem ich vor ein paar Stunden aus dem Haus gegangen bin?!" - "Ach, eigentlich hast du nur mit mir über deine Hobbys geredet, unglaubliche Superkräfte bekommen und einen Kirchen-Einbruch von einem unsichtbaren miterlebt." Sie lachen. Elena meint: "Das wichtigste hast du vergessen! ... " - "Was?" Elena antwortet darauf mit einem Kuss. Dann sagt sie: "Danke für das coolste Date, das ich je hatte!" Nico strahlt über sein ganzes Gesicht. Danke, war das einzige, was er über seine roten Lippen brachte. Nicht nur die Lippen, sonder auch sein ganzes Gesicht wird rot. So etwas hat ihm noch nie jemand gesagt. Elena lacht: "Hey Nico? Alles in Ordnung?" - "Ähm, ja natürlich. Es ist nur ... nein, ist egal." - "Was? Sag nicht du hast schon eine Freundin!" - "Was?! Nein! Es ist nur ... heute war, das erste mal, dass mich jemand geküsst hat. ..." - "Wirklich?! Das war dein erster Kuss?!" Elena grinst. "Sag nicht, das ist dein erstes Date!" Nico schaut beschämt auf den Boden: "Ich weiss, es ist peinlich." Elena schmunzelt immer noch: "Ach, so süss! Schäme dich nicht. Dafür, dass du noch nie jemanden geküsst hast, hat es sich nicht schlecht angefühlt." Nico blickt wieder hoch: "Wirklich?" Elena küsst ihn nochmal. Aber dieses mal etwas länger. Dann meint sie: "Ja, noch etwas zögerlich, aber sonst nicht schlecht. Keine Angst, das kriegen wir schon noch hin." Da Elena merkt, dass Nico noch ganz benommen ist von ihren Küssen, wechselt sie das Thema: "Auf was warten wir noch? Werden wir Superhelden!" Nico lacht. Elena fügt hinzu: "Ich habe noch keine Lust nachhause zu gehen. Wenn wir den angeblich unsichtbaren Einbrecher finden, wäre das doch schon mal eine gute Heldentat für den Anfang." Nico antwortet belustigt: "Ja, das wäre cool, aber dafür ist es jetzt bestimmt zu spät. Der Einbrecher ist sicher schon weit weg. Meinst du das könnte jemand gewesen sein, der vielleicht auch irgendwelche übernatürlichen Fähigkeiten hat?" - "Mein Gott! Das könnte heissen, dass er gar nicht etwas stehlen wollte sondern vielleicht wusste, dass ich auch Kräfte habe und er wollte mich aus irgendeinem Grund in der Kirche angreifen!" Nico runzelt die Stirne und meint: "Wieso ausgerechnet in der Kirche? Woher soll er wissen, dass du diese übernatürlichen Fähigkeiten bekommen hast?" - "Wenn er sich wirklich unsichtbar machen kann, dann hätte er uns die ganze Zeit beobachtet können, ohne dass wir etwas davon merkten." Nico ist alarmiert: "Verdammt! Ich hoffe nicht! Was ist, wenn er der Öffentlichkeit preisgibt, was für Fähigkeiten du hast?!" - "Nein, Nico denk doch mal nach! Wenn er ja auch solche Fähigkeiten hat, dann will er bestimmt auch nicht, dass jeder weiss, dass es Menschen mit übernatürlichen Fähigkeiten gibt." - "Ja stimmt, das sollte ich ja eigentlich wissen, da ich ja auch Heroes geschaut habe." Für ein paar Sekunden schweigen beide nachdenklich. Sie machen drei Kindern den Weg frei, damit diese mit ihren kleinen Schlitten auf den Schultern vorbei schlurfen können.

Nico hat eine Idee: "Wir müssen uns vorbereiten, falls wirklich jemand dir etwas antun will. Du bist sportlich und hast Stahlfäuste, aber du weist noch nicht, wie du diese Fäuste richtig einsetzten kannst, um dich zu Verteidigen. Ich denke du bist fähig schnell Karate zu lernen." Elena antwortet: "Hmm ... An welchen Tagen hast du Training?" - "Dienstags und Donnerstags von 19:00 bis 20:00 Uhr." - "Ah, das trifft sich gut. Ballett habe ich am Mittwoch und Klavier am Freitag. Aber ich kann doch nicht einfach mitten im Semester bei deinem Karatekurs beitreten." - "Doch. Das ist kein Problem. Du kannst sogar zuerst ein paar mal gratis zum Schnuppern kommen." Bevor Nico diesen Satz zu ende gesagt hat, klingelt etwas in Elenas linken Jeans-Hosentasche. "Sorry, warte kurz.", sagt Elena, während sie ihr HTC-Phone mühsam herausfischt und über den grossen Tuch-Screen streicht. Sie macht ein paar schritte von Nico weg und hält schnell das obere Ende des Smartphones ans Ohr: "Papa? Ist es dringend? Weil ich ... Habe ich das? Nein, aber du sagtest doch, ich muss erst am Abend wieder zuhause sein. ... Ja, die Sonne geht doch bereits um halb fünf unter jetzt im Winter! ... Papa! Ich habe gerade ein Date! .... Mir aber nicht! ... Ja. Wenn es unbedingt sein muss. ... Tschüss." Genervt antwortet Elena auf Nicos fragenden Blick: "Ich muss nachhause." Nico ist etwas enttäuscht: "Schade." - "Schreiben wir uns doch einfach. Du hast doch auch WhatsApp oder?" Er nickt: "Ich kann dich noch nach Hause begleiten." - "Hmm ... Nein ich schaffe das schon alleine. Wenn du nochmals gleichzeitig mit mir Stahl sagst, fühle ich mich sicher genug. Du hast bestimmt noch einiges zu erledigen." Nach einer kurzen Diskussion konnte Elena ihn dazu überzeugen, ihr die Stahl-Fähigkeiten zu verleihen, unter der Bedingung, dass Elena den Stahl nur im absoluten Notfall hervorruft und darauf achtet, dass auch ihre Familie nichts von ihren neuen Superkräften erfährt. Dann gehen sie getrennten Weges nachhause.

Ich kann ja schlecht ein Bild zeigen von einem unsichtbaren Ultra ;)
Ich kann ja schlecht ein Bild zeigen von einem unsichtbaren Ultra ;)