Eine unerwartete Begegnung

Nico langweilt sich. Er denkt: "Ich habe zwar eine lange Liste mit Wichtigkeiten, die schleunigst zu erledigen sind, aber irgend etwas hält mich davon ab, weiterhin diese Liste abzuarbeiten. Etwas wichtiges fehlt mir. Ich habe das Gefühl, dass dieses etwas mir schon immer gefehlt hatte. Aber mir fällt nicht ein, was es ist." Er nimmt automatisch sein Smartphone aus der Hosentasche: "Schon wieder 20 Watsapp-Nachrichten - keine Lust. Facebook: 3 neue Freundschaftsanfragen von Unbekannten - nicht wichtig. Lovoo: ... ist doch manchmal noch recht lustig, da muss ich mich nicht mit denen abgeben die ich sowieso schon kenne, sondern kann ungehemmt meine Gedanken einer gleichaltrigen des anderen Geschlechts schreiben und sie mir. Das kommt nicht selten ganz lustig heraus. Mal schauen was es alles für Statements gibt. Hmm, .. ah das sieht doch einladend aus: "Schreibt mir doch etwas, ..." oh .. ach nein doch nicht: "...,aber bitte etwas originelles!" Das ist das Statement von einer Rothaarigen namens Elena. Leider, wie bei manchen anderen Lovoo Benutzer, kann man nur einen Teil ihres Gesichtes auf dem Profilbild erkennen. "Es ist halt schon unglaublich schwierig ein Selfie zu machen!" Doch Nico denkt dann: " Aber eigentlich hat sie ja recht. Was nützt es wenn ich einfach nur ein "Like" platziere oder ihr einfach nur "Hi!" schreibe. Eigentlich kann ja nichts schief gehen. Es gibt nur etwas zu gewinnen, nichts zu verlieren. Aber sie wird mir doch sowieso nicht antworten... Egal ich kenne sie ja nicht." Nico tippt mit seinen langen Finger ein paar Worte: "Hey, süsses Profilbild, aber ich würde gerne dein ganzes Gesicht sehen. :P Lust auf einen kleinen Spaziergang bei dieser schönen Schneelandschaft und der Sonne da draussen? ;)". Nico schmunzelt und tippt auf Senden.
Doch eine Sekunde später macht er wieder ein ernstes Gesicht. "Ich habe schon wieder die Zeit vergessen. Ich sollte mich doch eigentlich über die Wehrdienstpflicht im Internet informieren. Die Rekrutierung ist doch schon in wenigen Wochen und ich kann mich immer noch nicht entscheiden." Nico hat sich bereits viel über die Armee, den Zivildienst und den Zivilschutz informiert. Je mehr, dass er in Erfahrung gebracht hat, desto sinnloser schienen ihm diese Pflichten.Vor allem die Rekrutenschule konnte er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren. "Wenn ich das Militär machen würde, werden theoretisch irgendwelche konservative alte Säcke dazu berechtigt, mich und alles andere Kanonenfutter zu zwingen, irgendwelche Leute zu töten, die Ebenfalls von ihren Offizieren gezwungen werden auf mich zu schiessen. Der grösste Witz daran ist, dass durch dieses altmodische System ein friedliebender Familienvater von einem anderen friedliebenden Familienvater umgebracht werden könnte! Und das sogar zu tausenden, ganz ohne Grund. Wer weiss wie lange der dritte Weltkrieg noch auf sich warten lässt, wenn bereits jetzt schon ganze Kriege nur um das geliebte Erdöl geführt werden!" Dies waren kurz zusammengefasst Nicos Gedanken.
1h später:
Nico gähnt. Dieser Tag will einfach nicht zu Ende gehen. Die Mutter kommt ins Zimmer: "Jetzt sitzt du schon fast den ganzen Tag am Computer. Geh doch mal nach draussen. Die Sonne scheint." - " Aber Mama, was soll ich den draussen? Ich bin doch bereits gestern Abend einkaufen gegangen und der Sandkasten ist mit Schnee bedeckt!" - " Nico, das ist nicht witzig. Es ist traurig, dass die heutige Jugend nichts mehr machen kann, ohne Bildschirm vor den Augen. ... bla bla bla".
Während die Mutter bei ihrem Gejammer immer lauter wird, schaut Nico genervt auf sein Smartphone: "Eine neue Nachricht auf Lovoo? Sie hat mir tatsächlich zurückgeschrieben!: "Haha, ist so besser? Jetzt kannst du mein ganzes Gesicht sehen. ... Wieso nicht. Treffen wir uns bei der Bustation Albisgütli 14:00:)" Elena 17 Jahre, langes Rotes Haar, und jetzt ist auch noch ihr wunderschönes Gesicht zu sehen!
"Nein, das kann nicht sein. Das ist bestimmt ein Fake-Account. Da will mich einer verarschen."
Die Mutter: "Was ist ein Fake-Account?" - "Was? .. Ach, nichts. Ich geh dann mal nach draussen." - "Wohin?" - " Etwas frische Luft schnappen. Ich bin spätestens um 17:00 Uhr zurück."
"Du musst mich nicht anlügen! Du willst bestimmt wieder ein neues Videospiel kaufen gehen. Spare dein Geld lieber für deinen Sprachaufenthalt im Ausland!" - "Nein, Mama! Ich gehe in den Wald, mir die schöne Schneelandschaft anschauen. Bis später." - "Zieh dich gut an!"
Während Nico seine riesigen Winterstiefel anzieht denkt er: "Ich halte es zuhause einfach nicht mehr aus. Das Geplapper meiner Mutter habe ich satt. Welches Spiel wollte ich mir schon wieder kaufen? ... Halo Guardians? ... Nein, vielleicht sollte ich wirklich zu der Albisgütli-Station laufen. Ich würde mir ansonsten später bestimmt etwas vorwerfen. Wie sagte mein Vater mir einmal: "Träume nicht, tu es." Naja, egal wer dort auf mich wartet. Für etwas habe ich ja schliesslich Karate gelernt." Nico fühlte sich, als hätte er seinen inneren Löwen aus einem ewigen Winterschlaf geweckt.
Als Nico nach draussen tritt, erstaunt es ihn, wie anders die, ihm sehr bekannte Hausumgebung aussieht, nur weil es geschneit hat. Als wohne er in einer ganz anderen Wohnsiedlung als noch am Tag zuvor. Aber Nico bemerkt den akustischen unterschied, der durch die dämpfende Wirkung des Pulverschnees verursacht wird nicht, da er schon dabei ist, eine Melodie mit zu pfeifen, die er mit seinen grossen Philips-Kopfhörer hört. Vollkommen seiner neuen Lieblings-Musikliste von I-Tunes gewidmet, macht er sich gemütlich auf den Weg den Familienhäusern entlang Richtung Busstation Albisgütli. "Zum Glück habe ich heute Morgen noch geduscht und mir die Haare geordnet." Nico hätte ohne die Kopfhörer gefroren, denn eine Mütze wäre nicht in Frage gekommen, da ihm dies die mühsam aufgestellten Haare auf dem Kopf wieder platt gedrückt hätte.
Als Nico noch die letzte Strasse bis zur Busstation geht, sieht er schon von weitem, dass da niemand in seinem Alter wartet. Zwei mittelgrosse ca. 12 Jährige Knaben, und etliche Frauen und Männer mindestens über 35 Jahre alt, die alle einen üblichen Zwei-Meter-Abstand von einander halten. Wenn es nicht so sonnig wäre und es statt dessen schneien würde, dann würde diese Regel aufgehoben werden und alle würden unter dem Vordach mit ein-viertel so grossem Abstand zwischen einander ungeduldig auf den geheizten Bus warten. "Haha, hab ich's mir doch gedacht, dass aus diesem verlockenden Spaziergang nichts wird." Nico war trotzdem sehr enttäuscht, und fragte sich ob es nicht besser gewesen wäre, wenn er stattdessen ein neues Videospiel gekauft hätte. "Da hilft das wunderschöne Wetter auch nicht zur Aufmunterung!", sagt er betrübt zu sich selber.
Nico schnappt sich noch eine der letzten 20-Minuten aus dem Zeitungskasten. Und blättert stehend die, für ihn jetzt sehr uninteressant wirkenden Seiten durch, während er sich träumt, was passiert wäre, wenn Elena wirklich gekommen wäre. "Hätte ich einfach zu ihr hingehen sollen und sagen sollen: "Hey, Elena! Gehen wir jetzt spazieren?" .. Nein natürlich nicht, aber was hätte ich dann als erstes sagen sollen? Vielleicht hätte ich auch zuerst einfach vor sie hinstehen sollen und darauf warten sollen, das sie mein Gesicht erkannte, um sicher zu gehen ob ich ihr überhaupt wichtig war. ... Ich hätte mich doch sowieso nicht getraut sie anzusprechen!" Redete sich Nico ein. Der Bus kommt in Sicht. Nico hat jetzt die Idee, jetzt doch noch shoppen zu gehen. "Nein, das tust du nicht!" meldet sich der innere Löwe.: "Vielleicht kommt sie ja noch! Und auch wenn nicht. Dann schreibst du ihr halt etwas interessantes auf Lovoo, wenn du wieder nach Hause kommst und gibst nicht einfach auf!"
Der Bus hält. Die Leute steigen ein. In diesem Moment bekämpfen sich das Engelchen und das Teufelchen in Nicos Gedächtnis. Die Zeit steht für einen kurzen Moment still. Das Engelchen besiegt nur mit Hilfe des inneren männlichen Löwen das starke gamesüchtige Teufelchen. Der Bus fährt weiter. Die Zeit hat sich aus dem Moment gelöst. Nico schaut auf seine Armbanduhr. "Noch 10 Minuten warte ich, nicht länger!" Jetzt kann sich Nico entspannt an die Zeitung wagen. Diese wirkt jetzt sogar interessanter als ein Videospiel. "Der schwarze Donnerstag" heisst es auf der Titelseite. Der Euro ist jetzt plötzlich wieder gleich viel Wert wie der Franken! Nico überlegt sich: "Ah, das ist bestimmt interessant für die Aktionäre. Alle möchten jetzt Euros kaufen damit sie später ihr Vermögen vermehren können, wenn der Euro-Wert wieder steigt. Und schon dadurch, dass alle eifrig Euros kaufen, steigt der Euro-Wert ja bereits wieder. Scheint eine sichere Sache. Nur würde sich dieser Ganze Geldstress bei meinem kleinen Vermögen doch gar nicht wirklich lohnen. Ein Segen, dass man im Internet auch mit kostenlosem Spielgeld herausfinden kann, wie kompliziert der richtige Aktienhandeln ist."
Plötzlich spürt Nico ein sanftes Antippen an seiner linken Schulter. Wie aus dem Schlaf gerissen schaut Nico neugierig auf. Einen der beiden 12 Jährigen grinst ihm ins Gesicht. Der andere steht ein paar Meter entfernt und ist damit beschäftigt, möglichst unauffällig zu seinem Kollege hinüber zu schauen., nur nicht unauffällig genug, dass es Nico nicht bemerken würde. "Hey Nico! Gehen wir jetzt spazieren?" Sein Kollege kann sein lachen nicht mehr unterdrücken. Nico weiss nicht was sagen. Er schaut den frechen Jungen einfach nur erstaunt und ungläubig an. Nico kann einfach nicht glauben dass so jemand hinter diesem Lovoo-Fake-Account stecken konnte.
Nico setzt ein gestelltes lächeln auf, so wie das jeder in dieser peinlichen Situation machen würde. Seine Enttäuschung und Verärgerung unterdrückend antwortet er: "Haha, dann war das also dein Fake-Account?" - "Was?" - "Auf Lovoo?!" - "Was ist das?" Plötzlich fängt hinter Nico jemand an zu lachen. Nico dreht sich um. Er macht jetzt ein noch erstaunteres Gesicht als vorher. Er erkennt sie auf den ersten Blick: Volumenvolles langes rotes Haar bis auf Ellbogenhöhe, grosse blaugrüne Augen darunter kleine volle Lippen und einen gut geschwungenen schlanken aber nicht dünnen Körperbau. " Elena, 165 cm gross 49 kg schwer, Nichtraucher ... ", geht es Nico blitzschnell durch den Kopf. Sie berührt sanft Nicos Schulter und schmunzelt: "Haha, Du bist darauf reingefallen! Du hättest dein Gesicht sehen sollen!" zu dem 12 Jährigen meint sie nebenbei: " Gut gemacht! War doch nicht so schwierig." - Nico muss jetzt auch lachen und meint: "Ach! Du hast sie angeheuert?!"
"Ja, natürlich! Hast du wirklich gedacht das sei ein Fake-Account? Nein, natürlich nicht, sonnst hättest du doch nicht hier auf mich gewartet!" Beide lachen. Dann fragt Elena: "Und? Lust auf einen Spaziergang?" Nico antwortet erleichtert: "Wieso nicht! Zum Panoramaweg geht es hier die Strasse hoch."
Bereits hier wird die 2 Meter Abstand-Regel missachtet. Und das, zwischen zwei Personen, die noch kaum drei Sätze mit einander gesprochen haben. Zu Nicos erstaunen, packt sich Elena sofort seine Hand. "Wieso schaust du so verwundert? Hast du noch nie ein Date gehabt?" - "Äh ... doch natürlich!" Föhlich spaziert das Date-Pärchen die steile Strasse hoch.
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Im nächsten Kapitel kommen dann die Superkräfte! Wie fandet ihr dieses erste Kapitel? Ich bin offen für Tips und Tricks.